Die Steinkäuze
Unvergessliche Begegnung mit einem Steinkauzpaar
Vor einigen Jahren fotografierte ich in einer Vollmondnacht ein Sonnenblumenfeld. Zwischen den hohen, gelben Pflanzen leuchteten die Sterne am Himmel, während ich mich auf meine Kamera konzentrierte. Als ich kurz aufsah, stand eine Eule direkt über mir. (Kleine Anmerkung: Eulen fliegen lautlos, weil ihre speziellen Federn den Luftstrom streuen und dämpfen, wodurch Fluggeräusche nahezu vollständig unterdrückt werden.) Für wenige, kostbare Sekunden verharrten wir – in völliger Stille, in einem Moment gegenseitigen Staunens. Dann schwebte sie über die Felder weiter, dem silbrigen Licht des Mondes entgegen.
Diese flüchtige Begegnung entfachte meine Faszination für Eulen. Ich vermute, es war ein Waldkauz, der mir damals begegnet war – sicher bin ich nicht. Doch je mehr ich über diese wunderbaren Vögel las, desto mehr zog mich der Steinkauz in seinen Bann – nicht zuletzt wegen seiner Verbindung zur griechischen Mythologie.
Vor ziemlich genau einem Jahr träumte ich von einem Steinkauz. Den Inhalt des Traums habe ich längst vergessen – aber eines stand für mich fest: Ich wollte diesem kleinen, mythisch anmutenden Vogel eines Tages in freier Wildbahn begegnen. Da Steinkäuze in der Schweiz jedoch sehr selten sind, begann ich zu recherchieren – und fand schliesslich einen geeigneten Hide.
Martin war sofort von der Idee begeistert, und wir begannen zu planen. Da meine Lieblingsblume der leuchtend rot-orangen Mohn ist, erschien mir der Mai oder Juni als perfekte Zeit: Die Hoffnung war, Steinkäuze inmitten blühender Mohnfelder zu erleben. Als wir im Frühling zum Hide aufbrachen, war ich überwältigt. Tiefroter Mohn wogte im Morgenwind, und mein Herz war voller Vorfreude.
Noch vor dem ersten Licht huschte ich in den Hide. Und kaum hatte ich mich eingerichtet, traute ich meinen Augen kaum: Zwei Steinkäuze sassen in der Dunkelheit auf einem grossen Stein und begrüssten sich. Das Weibchen verschwand darauf im Nest, während das Männchen mit mir auf den Sonnenaufgang wartete. Der Farbverlauf im Himmel war ein Traum und ich konnte mich nicht stattsehen.
Sobald das erste warme Licht das Feld erreichte, setzte sich der Kauz – als wolle er mir die ganze Schönheit der Welt offenbaren – zwischen die blühenden Mohnblumen. Mein Herz glühte.
Etwa eine Stunde später kam das Weibchen wieder aus dem Nest und gesellte sich zu ihm. Was dann geschah, liess mich erstarren: Das Männchen paarte sich mit dem Weibchen, keine zehn Meter von mir entfernt. Was in Wirklichkeit nur 30 Sekunden dauerte, fühlte sich an wie Stunden.
Den gesamten Morgen über konnte ich sie beobachten – mal das Männchen allein, mal beide gemeinsam. Gegen zehn Uhr wurde es ihnen zu heiss, und sie zogen sich in den kühlen Schutz des Steins zurück.
Diese Begegnung war für mich mehr als nur ein Naturerlebnis. Es war ein Geschenk – ein stilles, leuchtendes Kapitel meiner eigenen Geschichte.